Freitag, 2. September 2011

Tschüss Farmleben und rauf auf die Straße! Doch zuvor: Führerschein, Autokauf und Versicherung in Manitoba

Seit wir außerhalb von Sarto auf einer Farm leben, versuchen wir ein Auto zu kaufen.
Diese "Gravelroad"...also ein Straße ohne Straßenbelag, dafür aber mit vielen kleinen Steinen, endet auf der "Nortern Sun Farm".

Zuerst sind wir einen ganzen Tag in dem kleinen Städtchen Steinbach umhergelaufen. Und dieses Städtchen ist nicht dafür gemacht, dass sich Menschen zu Fuß oder auf einem Fahrrad bewegen! Es ist „die Stadt der Autohändler“. Gehsteige sind selten vorhanden. Genauso wenig finden sich Bäume am Straßenrand, so dass man im Monat August fast gebraten wird, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Wir klapperten an einem Tag einen Autohändler nach dem anderen ab. Die Angebote, die wir uns leisten konnten, waren nicht gerade nach unserem Geschmack. Vans um das Jahr 1998 kosteten immer noch mindestens 5000 Dollar und hatten zumeist auch 200 000 km oder mehr runter, aber keine Roststellen. Private Verkäufer gab es auch einige. Sie hatten häufig Fahrzeuge anzubieten, die schon fast auseinanderfielen. Mit  freundlichem Lächeln beantworteten sie unsere Frage nach dem Preis fast immer mit der Aufforderung:“Make me an offer!“ Da wir aber bestimmten geliebten Personen daheim versprochen hatten, ein nicht zu schrottiges Fahrzeug zu erstehen, konnten wir uns nie dazu aufraffen ein Gebot abzugeben. 

Die Tage verstrichen. Immer wieder waren wir gezwungen zu trampen, wenn wir von unserer Farm in Sarto in die Stadt nach Steinbach wollten. Von der Farm wegzukommen ging ja noch. Wir brauchten nur alle BewohnerInnen fragen, wer demnächst in die Stadt fährt. Fast jeder dort hat sein oder ihr eigenes Auto. Zwar wollen sie nachhaltige Landwirtschaft betreiben, aber Auto teilen ist nicht, weswegen auf der Wiese vor dem Gemeinschafthaus auch ein ansehnlicher Fuhrpark zu bewundern ist. Für uns war das allerdings nicht schlecht, denn irgendwer wollte immer nach Steinbach und konnte uns mitnehmen. Doch wenn wir dann mit all unseren Einkäufen bepackt viele Stunden später am Highway standen und den Daumen raushielten, sah das Ganze schon anders aus.
Am ersten Tag hatten wir Glück. Das 29zigste Auto hielt an und nahm uns mit. An den anderen Tagen zählten wir zuversichtlich bis 60; dann fingen wir an zu schummeln und zählten nur noch jedes 4te Vehikel. Irgendwann. Viel, viel später wurden wir aber stets mitgenommen. Auf einer dieser Fahrten nahm uns eine Frau in einem wunderschönen Camper mit. Auf meine Nachfrage, wo sie das Fahrzeug denn her hatte, gab sie mir gerne die Nummer und den Namen des Wholesellers, der es ihr ersteigert hatte. Ich rief den Mann an, der eine Lizenz dafür hatte, Autos auf Versteigerungen zu kaufen. Als ich ihm sagte, dass ich gerne einen Van kaufen möchte, fragte er mich, ob er dann nicht lieber mit meinem Mann sprechen sollte. So freundlich wie möglich erklärte ich ihm, dass dieser Vorschlag gänzlich unnütz sei, da mein Freund, mit dem ich nicht verheiratet sei, nicht im Besitz eines Führerscheins wäre und an dieser Stelle sicher keine große Hilfe sei. Erst danach konnten wir uns über den Autokauf unterhalten. Inzwischen haben mich auch etliche andere Menschen aus Manitoba gefragt, ob ich nicht verheiratet bin. Anfangs erschien mir das eine eher gewöhnungsbedürftige Frage. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, denn sie wird einfach immer gestellt.
Der Wolesales Guy Mr. Penner ließ sich fast 2 Wochen Zeit, bis er uns unser neues Fahrzeug präsentierte. Irgendwann an einem Donnerstag, genau zu Abendessezeit fuhr er vor. Es war ein Ford, Baujahr 2002 und er hatte 128 000 km runter. Der Preis war 2800 Dollar. Wir gingen um das Fahrzeug herum und versuchten möglichst so auszusehen, als ob wir irgendeine Ahnung von Autos hätten, was nicht der Fall ist. Er führte uns indessen alle möglichen Sonderfunktionen vor, die der Ford mitbrachte. In der Tat gibt es innen eine Vielzahl von Knöpfen, so dass dieses Auto anfangs für mich eher wie eine Art Raumschiff anmutete. Möglicherweise bin ich aber auch nur alte Karren gewohnt, die diesen ganzen Schnickschnack mit „Knopf um die Pedale näher heranzufahren“ u.s.w einfach nicht haben. Wie auch immer. Die grenzenlose Vielfalt an Knöpfchen machte mich in Kombination mit dem Zigarillorauch des Verkäufers ganz schwurbelig im Kopf. Aber dann kam Sam, ein Mensch von der Farm, der prinzipiell in Autos und Vans verliebt zu sein scheint. Gemäß seiner bärbeißigen Art sagte er Mr Penner nicht einmal guten Tag, bevor er sich unter das Auto schmiss und darunter herumkroch. Unter dem Van war allerdings nichts zu beanstanden. Und auch nach einem Blick unter die Motorhaube konnte Sam nichts finden, womit er den Preis für uns herunterhandeln hätte können, wie er uns zwischendurch bedauernd zuraunte.  Wenige Tage später kauften wir das Fahrzeug.
Am Tage des Kaufes mussten wir dann auch gleich mit dem Verkäufer zu Versicherung. In Manitoba existiert eine staatliche Versicherung. Dies ist - im Vergleich zu den Provinzen mit privaten Versicherern - unglaublich günstig. Für unser Fahrzeug kostet die Versicherung in Manitoba etwa 800 Dollar; in Toronto hatten wir Angebote von  Maklern, die diesem Betrag weit überstiegen.
Um ein Fahrzeug versichern zu können, braucht man natürlich eine Manitoba-Driverslicence. Es ist nicht möglich einen europäischen Führerschein gegen den hier existierenden einzutauschen, wie dies in Ontario üblich ist. In Manitoba ist man gezwungen, erst eine Fahrprüfung abzulegen, wenn zuvor nur ein europäischer Führerschein vorhanden war. Ist jedoch ein Führerschein aus einer anderen kanadischen Provinz vorhanden…ja, dann ist es gar kein Problem! Dann wird der ganz einfach umgetauscht. Schwupp! Und ich hatte statt einem Ontario-Führerschein einen Manitoba-Führerschein.
Bei der Versicherung wurde dieser freundlich zur Kenntnis genommen. Auch bat die Sachbearbeiterin mich um Papiere von meiner früheren Versicherung; einem „Claim Experience letter“. Da ich noch nie zuvor ein Auto hatte, besitze ich so etwas leider nicht. Das fand die gute Frau absolut sonderbar. Wie kann ein Mensch den ohne Auto zurechtkommen? Ist er dann überhaupt Mensch, schien ihr Blick zu sagen. Das Auto scheint für nahezu alle Kanadier, die wir bisher getroffen haben, einfach unerlässlich zu sein. Und da weder die Bahn erschwinglich ist, noch der öffentliche Nahverkehr ausgebaut, ist das Auto anscheinend die einzige Möglichkeit von A nach B zu kommen. FahrradfahrerInnen werden - ebenso wir Fußgänger außer in Metropolen - misstrauisch beäugt. Doch da wir ja nun erfolgreich und nach langer Suche stolze BesitzerInnen eines Vehikels sind, und zudem auch dem Tim Hortens Iced Coffe verfallen, werden wir sogleich als viel kanadischer angesehen. Wir sind damit quasi integriert…das ist, wie wenn Menschen, die nach Deutschland kommen Sonntags um 20 Uhr 15 plötzlich „Tatort“ anschauen müssen (vorsicht: Ironie!).

Eigentlich lief das alles sehr gut bei der Versicherung. Bis wir gefragt wurden, wie lange wir denn versichern wollen. Na so ein Jahr, dachten wir. Das sei kein Problem. Dann würden wir jetzt gleich anfangen und die Versicherung dann ...Unterlagenrascheln....am 18. Oktober erneuern. Hä? Wieso? Verstehe ich nicht. Da muss ein Mißverständnis vorliegen. Ich möchte von heute ab ein Jahr versichern, stellte ich klar. Ah, so ginge das aber nicht in Manitoba, wurden wir aufgeklährt. Hier müsse einer jeder und eine jede ihr Vehikel jährlich rückversichern. Und dies genau 4 Monate nach dem Geburtstag des Teilnehmer plus minus 4 Wochen. "Kann ich nicht doch jetzt gleich für ein Jahr versichern"?, bettelte ich." Oktober ist doch gar nicht mehr so lange hin!" Nein, das ginge nicht, wurden wir daraufhin streng belehrt. Dieses System habe sich nun bewährt, nachdem man das alte System abgeschafft habe, bei dem hier jeder an ein und demselben Stichtag kommen sollte. "Was???, fragte ich ungläubig nach. "Ganz Manitoba hat früher am gleichen Tag das Auto versichern müssen? Und wir haben Sie das perspnell bewältigt?" "Haben wir nicht",  gestand meine Sachbearbeiterin. Und darum gebe es ja nun das neue tolle System und an dem sei nicht zu rütteln. Hier nochmal unterschreiben und auf Wiedersehen bis Oktober dann. Und schon war der nächste dran und wir standen mit unseren neuen Nummernschildern ein wenig bedröppelt im Türrahmen. Bürokratie. Überall schrecklich! 
Da war er also gekommen, der große Tag, an dem wir selbstständig mobil waren. Noch während wir an diesem Abend Richtung Farm nach „Hause“ zu unserem Zelt fuhren, hatten wir die ganze Zeit das Gefühl, den Wagen nur geliehen zu haben..als ob wir ihn jeden Moment zurück geben müßten. So unreal erschien er uns.

Doch in der Zwischenzeit haben wir uns aneinander gewöhnt. Und wir sind schon 2000 km mit ihm gefahren, nachdem wir am Telefon mit einem Schlittenhund-Rennfahrer gesprochen hatten, der uns, ohne dass wir auch nur einmal in Person miteinander gesprochen hatten, als doghandler für sein Kennel (Hundemeute) engagierte. Doch wir mussten innerhalb von 24 Stunden anfangen. Schnell war dann also der Abschied von den süßen Schweinen, dem Garten, den wir so oft gewässert hatten dem Community-Center und einfach auch allen FarmbewohnerInnen, die uns so gastfreundlich aufgenommen hatten. Einiges werden wir vielleicht missen, wie die vielen lustigen Frösche überall, das abendliche Kojotengeheul und den kleinen See. Aber anderes wie diese Regentonne als Badezimmer-Ersatz, das werden wir sicher nicht vermissen.
Darf ich vorstellen: Unser "kleines Badezimmer" auf der Farm
Mit diesen Fröschen teilten wir täglich unser "großes Badezimmer"...einen ausgebaggerten See.

Gartenimpressionen

Artischocke auf der "Nortern Sun Farm"

Selbstgeerntete Bohen in grün und blau. Sehen unterschiedlich aus, schmecken aber beide gleich.

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