Mittwoch, 11. April 2012

Erlebnisse auf der Wild Horse Ranch


Als wir noch in British Columbia waren, hatten wir Pläne für unsere weitere Fahrt geplant. Dabei sind wir über die Website von Intentional Communities (www.ic.org) auf die Wild Horse Ranch gestoßen. Laut der Beschreibung wohnten dort 3-6 Menschen und es gab viele interessante Dinge. So z.B einen bio Garten, viele, viele Pferde sowie die Möglichkeit etwas über die Holzbearbeitung und die Reparatur eines Autos zu lernen. Nachdem wir mit Pat am Telefon gesprochen hatten (er erzählte die meiste Zeit) waren wir guter Dinge und machten uns auf den Weg nach Onoway (Alberta). Das liegt ca. 50 km nordwestlich von Edmonton. Als wir dann ankamen, merkten wir, dass er ganz allein in einem riesigen Blockhaus wohnte. Das Haus wirkte auch ziemlich gespenstisch, da es aussah als ob es eigentlich für 10 Leute gebaut wurde. In den kleinen Schlafzimmern standen Doppelstockbetten und manchmal auch noch ein zusätzliches Bett. Ich fühlte mich da gleich an meine Bundeswehrzeit erinnert. Auch die Ausstattung der Küche hätte locker für eine ganze Hausgemeinschaft gereicht. Die Schränke waren mit Buchstaben und Nummern versehen und mit allem möglichem Zeug vollgestopft. Nun gut, Pat unser Gastgeber schien aber ganz nett zu sein und er hatte als Geschenk auch extra zwei Cowboy Hütte auf unsere Kopfkissen gelegt. Am Abend besuchten wir dann auch gleich seine Pferde und er erzählte uns alles Mögliche über die noch anstehenden Projekte. Er wirkte ziemlich enthusiastisch und machte schon Pläne für unsere Immigration nach Kanada. Am nächsten Morgen gab es erst mal ein kräftiges Frühstück und danach ging es zur Ranch.
Hier durften wir Kohlen schaufeln und schließlich die Pferde füttern. Gegen Mittag gab es dann einen Anruf für Pat. Er hat einen Lieferservice für Feuerholz und jemand von den Natives brauchte dies für eine Zeremonie. Wir fuhren also ins nahegelegene Native Reservat „Alexander First Nation“, um das Holz dort abzuliefern. Die Familie an die wir das Holz lieferten, war sehr nett. Sie halfen uns beim Holz abladen und erzählten uns etwas über ihre kulturellen Bräuche. So war uns bereits aufgefallen, dass zahlreiche Bäume mit bunten Tüchern umwickelt waren. Dies waren die sogenannten „Prince“. Diese wurden um die Bäume gewickelt, wenn jemand sehr krank war und sie sollten helfen zu heilen. Auch das Feuerholz, welches wir lieferten war für eine Zeremonie vorgesehen, die der Heilung zugute kam. Wie wir später erfuhren, hatte der Chief eines befreundeten Stammes Krebs. Pat merkte sofort, dass uns das alles sehr interessierte und versuchte auch gleich die Leute zu überreden uns einzuladen. Ich wäre natürlich gern zu einer solchen Zeremonie hingegangen; aber es war ja auch irgendwie ein Familien-Ding und noch dazu gedacht einen Krebskranken zu heilen. Da wollte ich, auch nicht stören.
Am Abend schmiedete Pat weiter Pläne für unsere Zukunft. So sollten wir bereits in zwei Monaten mit seinen Pferden an einem Ausdauerrennen teilnehmen. Ich war ziemlich schockiert, da ich ja noch nie auf einem Pferd gesessen hatte. Er meinte, dass seine Pferde so besonders sind, dass sie jedes andere Pferd schlagen würden.
Eines Tages durften wir wieder Holz im Reservat abliefern. Diesmal bei Gordon. Auch er benutzte das Holz für eine Zeremonie. Dazu hatte seine Familie in einem Schuppen ein Zelt aufgestellt, vordem sich ein großer, 300 Jahre alter Büffelschädel befand. Im Zelt wird während der Zeremonie ein Feuer entfacht, um welches große Steine in einem Kreis angeordneten werden. Mit Hilfe von Salbei, Tabak und viel Hitze (deswegen wird diese Zeremonie auch als „schwitzen“ bezeichnet) versuchten man Kontakt mit den Urahnen aufzunehmen. Diese können einem dann das spirituelle Tier und auch noch andere Sachen erzählen. Gorden lud uns in sein Haus ein und zeigte uns bereitwillig etliche spirituelle Inszrumente wie die Schildkrötenrassel und etliche Glocken. Als unser fragender Blick auf die Glocken viel sagte Gorden:“Die sind für die Großväter.“ Und lächelnd erklärte er weiter: “Damit spielen sie gerne“. Er meinte damit aber nicht lebendige Großväter, sondern die Ahnen oder Urahnen.
Er erzählte uns noch etliches über die natives und deren Kultur. So war es noch vor wenigen Jahrzehnten verboten überhaupt solche Zeremonien anzuhalten. Die kanadische Regierung und die christlichen Kirchen versuchten die native Kultur zu zerstören. So wurden alle Kinder des Reservats in sogenannte Residential Schools gesteckt. Während es weißen Eltern gestattet war, ihre Kinder zu Haus zu unterrichten, wurden die Kinder der Natives weit entfernt von Ihren Familien in Internate geschickt. Dort durften sie ihre indigenen Sprache nicht sprechen und es war ihnen auch untersagt, ihren kulturellen Bräuchen nachzugehen. Ziel dessen war es diese Menschen in die „Weiße“ Gesellschaft zu integrieren. Es ging natürlich nach hinten los, weil viele „Weiße“ Menschen Vorurteile gegenüber Natives haben und sie gar nicht in ihrer Gesellschaft haben wollen. Das Resultat ist, dass die Kultur der Natives ausstirbt und nur noch wenige die alten Bräuche kennen. Vor allem die Kenntnisse über die Heilkräfte verschiedener Kräuter sind verlorengegangen. Pat kannte jedoch den alten Medizinmann des Reservats bevor er gestorben ist und hatte von ihm einige Tipps bekommen. Weiterhin verfügte Pat nach eigener Aussage über bestimmte Kräfte. So konnte er den Energiefluss der Erde spüren und lenken. Dazu hatte er eigens einen sogenannten Kreis auf seiner Ranch installiert. Angeblich ist dieser ebenbürtig mit dem von Stonehenge. Nun ja, laut Pats Äußerungen konnte der Kreis einem verraten, welche Fähigkeiten ein Mensch besitzt. Dazu stellt mensch sich in die Mitte des Kreises, während Pat um einen herumläuft. Da Pat die Energie der Erde spüren kann, wird mensch dann in eine bestimmte Himmelsrichtung ausgelenkt d.h. nach einer Weile auf einem Punkt stehend fällt man einfach in irgendeine Richtung (Pat muss dann denjenigen auffangen). Diese Himmelsrichtung verrät dann, welche Fähigkeiten mensch besitzt. Meine Reisebegleiterin soll z.B. die besondere Fähigkeit haben, mit Hilfe der Energie der Erde Menschen zu heilen. Ich dagegen soll die Fähigkeit „gatherer of people“ besitzen. Das heißt, ich soll jemand sein dem Menschen vertrauen und Beachtung schenken - halt mögen, aber jedoch keine Führungsperson. Anschließend bekam dann Pat noch eine Vision und verriet uns unser spirituelles Tier. Den Rest des Abends verbrachten wir am Lagerfeuer und Pat erzählte uns Geschichten von vorherigen Zeremonien. So kann es z.B. sein das manche Menschen nur negative (schlechte) Energie empfangen können. So hatte er schon Gäste die sich im Zentrum des Kreises in die Hosen geschissen hatten und gleichzeitig kotzten oder Personen deren Körper sich nur noch drehte. Pat meinte, dass diese Menschen sehr böse sind und vor allem an sich denken. Er vertraute ihnen dann auch nicht mehr.
Desweiteren soll Pat mit Hilfe eines Zweiges Grundwasseradern aufspüren können. Da seine Nachbarn verzweifelt danach suchten, baten sie Ihn schließlich seine Kräfte einzusetzen. Als er dann dort ankam holte eine Frau ihren Rosenkranz heraus und betete zu Gott, weil sie Pat für einen Teufel hielt. Schließlich fuhr Pat dann gleich wieder los, weil er meinte er muss sich einen solchen Schwachsinn nicht antun. Die Frau war natürlich umso mehr darin bestärkt, dass sie gerade etwas Teuflisches vertrieben hat. Nun müssen seine Nachbarn immer weit fahren, um an ihr Wasser zukommen oder es mit Tanklastern heranschaffen lassen.
Rex und Lucky
Als wir mit dem Holz zu Gordon ins Reservat fuhren bemerkte ich am Straßengraben im Schnee einen kleinen Hund, schenkte ihm aber wenig Beachtung, da wir ja eh wieder zurückfahren mussten. Auf dem Rückweg lag er immer noch am Straßenrand im Schneehaufen. Er konnte sich nicht bewegen und wirkte ziemlich schlapp. Wir nahmen wir den Kleinen mit. Er war höchstens 7 Wochen alt und konnte einen Vorder- und einen Hinterfuß nicht bewegen. Vermutlich wurde er aus dem Auto geworfen und einfach im Nirgendwo und bei -10 Grad zurückgelassen. Der Welpe war in einer schlechten Verfassung und keiner von uns war überzeugt, dass er die die Nacht überleben könnte. Er lag apathisch herum und wollte nichts von dem leckeren Hünchenkadaver essen, den Pat ihm anbot. Später nahm er aber etwas Milch an.
Am nächsten Morgen hatte er sich schon etwas erholt und fing an ein wenig herumzukrabbeln. Immer in Richtung von unserem Labrador Ernie, der darüber nur mittmäßig begeistert war, aber den Kleinen duldete. Schließlich konnte der kleine Hund dann am dritten Tag schon humpelnder Weise gehen und spielte mit Ernie herum. Inzwischen geht es ihm schon richtig gut und er kann fast laufen wie jeder andere Hund. Da er nun zu überleben schien, wollte Pat ihm einen Namen geben und er fragte mich nach einem typischen deutschen Hundenamen. Na, ja ich war nicht besonders kreativ und der erste Name der mir einfiel war Rex.
Doch Rex war nicht unser einziges Sorgenkind. Als wir eines Tages die Pferde füttern wollten, lag ein kleines Fohlen am Boden und wollte nicht mehr aufstehen. Es sah ziemlich fertig aus. So wurde der kleine Racker von den anderen Pferden ständig gebissen und getreten und hatte deshalb viele kahle Stellen und Wunden in seinem Fell. Vermutlich haben die anderen Pferde ihn nicht essen lassen, so dass er auch noch total abgemagert war. Was mich aber am meisten beunruhigte war sein angeschwollener Penis. Nein, er wollte sich nicht paaren, es sah einfach unnatürlich aus und ging eher in die Breite als in die Länge. Um ihn besser pflegen zu können, wurde der kleine dann in ein Haus verfrachtet, welches Pat eigentlich für potentielle Bewohner der Ranch hergerichtet hatte. Das Pferd bekam dann erst einmal Antibiotika, Haferflocken und Heu. In den nächsten Tagen ging es ihm ein wenig besser, fiel aber öfter noch um, sodass wir eine Seilwinde in das Haus einbauen mussten. Schließlich entschloss sich Pat mit einem Teppichmesser den Penis des Fohlen zu bearbeiten. Zu meinem Erstaunen half es irgendwie und der Penis sieht jetzt wieder normal aus. Nachdem auch dieses Geschöpf zu überleben schien, wurde es Lucky genannt

Doch auch die anderen Pferde hatten so ihre Probleme. Als wir eines Tages Reiten gingen, merkten dass es in der Pferdescheiße von einem unserer Pferde nur so wimmelte. Es waren eklige Würmer und die mussten wir irgendwie aus den Pferden rausbekommen. Dazu hatte Pat in Edmonton ein Entwurmungsmittel gekauft. Zunächst wurde es an Lucky getestet, indem Pat es in sein Maul zu stopfen versuchte, während meine Reisebegleiterin den Pferdekopf festhielt. Das Pferd fand das alles ziemlich eklig und wollte das Zeug loswerden. Um dies zu verhindern pustete Pat das Entwurmungsmittel in das Maul des Pferdes zurück. Leider bekam dabei meine Reisebegleiterin die Hälfte ab. Es schien überall zu sein: In den Augen, im Mund und in den Haaren. Nachdem wir die Augen ausgespült hatten, beschlossen wir eine andere Methode für die Entwurmung anzuwenden. Dazu wurde das Zeug in Wasser aufgelöst und anschließend mit einem Sprühgerät auf Haferflocken verteilt. Zu unserem Glück liebten die Pferde das Zeug und ein weiteres Problem war gelöst.
Abschied und Abreise mit Zweifeln
Nach ein paar Tagen auf der Ranch merkten wir, dass nicht alles so rosig ist, wie wir dachten. Zum Einen liebt es Pat zu fluchen. Seine liebsten Wörter sind dabei bitch (Schlampe) und prick (Schwanz/Penis). Er hat uns nie so bezeichnet, aber wir fanden es trotzdem nicht so schön. Na, ja er versuchte dann nicht mehr so oft zu fluchen. Zum Anderen hatten wir vollkommen unterschiedliche Auffassungen wie Menschen in einer Gemeinschaft dauerhaft an diesem Ort leben sollten. Pat war der Meinung „Jedes Schiff braucht einen Kapitän“. Für ihn bedeutete das, dass er alles zu entscheiden hat, was auf der Ranch passiert. Dies fing beim Einkauf der Lebensmittel an und hörte bei der Bestellung des Gartens auf. Wir versuchten ihm zu erklären, dass Menschen auch einen gewissen Entscheidungsfreiraum über ihr Leben brauchen und sich nicht gern in eine so starke Abhängigkeit begeben würden. Er wollte dies nicht verstehen und meinte, dass er den Menschen eher eine riesige Chance gibt. Uns ärgerte jedoch am meisten, dass Pat sein Projekt als bereits existierende Gemeinschaft bewarb, obwohl er dort allein lebte. Er meinte seine verstorbenen Großeltern und seine Eltern, die seit 50 Jahren in Edmonton lebten, gehören auch dazu. Wir versuchten mit ihm darüber zu reden und sagten ihm, dass Leute schockiert sein würden, wenn sie nur eine einzige Person vorfänden, obwohl sie eine Gruppe erwarteten. Pat war jedoch leider echt stur und war zu keinen Kompromissen bereit. Daher beschlossen wir hier nicht für immer zu bleiben, sondern vielleicht zwei Monate oder bis zum nächsten Herbst. Wir hatten zwar unterschiedliche Meinungen über das Leben in einer Gemeinschaft, aber es machte auch Spaß mit Pat zu arbeiten und nebenbei lernten wir viele neue Sachen. Wenn wir abends von der Arbeit nach Hause kamen, redeten wir öfter noch stundenlang oder spielten cribbage miteinander. Es war schön und wir vertrauten uns gegenseitig bis ich eines Tages einen Brief für Pat schreiben sollte. Pat wollte einige Pflanzen aus seinem Garten an einer Universität untersuchen lassen. Da ich ja Ahnung von Chemie habe, sollte ich die richtigen Leute finden und anschreiben. Als ich den Brief schrieb, wollte ich wissen, wie ich seinen Namen richtig schreibe und googlete ihn nochmal. Doch was da kam schockierte mich eher. Es waren Internetseiten die eine Warnung der Polizei zeigten. So soll Pat ein verurteilter Sexualstraftäter sein, der junge Frauen auf seine Ranch gelockt hat, damit sie dort für ihn anschaffen gehen. Er soll auch Frauen gewürgt haben, um ihren Widerstand zu brechen. Nun, ja dachte ich, dass ist die Vergangenheit und hoffentlich hat er seine Fehler eingesehen, aber es waren noch weitere Einträge, die erst vor wenigen Monaten und Wochen ins Netz gestellt wurden. Dort berichteten weibliche Gäste der Ranch, dass Pat sie mit anzüglichen Sprüchen bedrängte und dass er junge Frauen in der Stadt anspricht, um sie auf die Ranch zu bekommen. Das konnte ich bestätigen, denn das hatte er auch getan, als ich mit ihm in der Stadt war. Ich fand das damals merkwürdig und peinlich, hatte mir aber nichts dabei gedacht. Weiter war zu lesen, dass er handgreiflich geworden ist, wenn sich Menschen dazu entschlossen hatten abzuhauen. Diese ganzen Berichte waren so detailliert, dass für uns klar war, dass diese Menschen auf jeden Fall hier gelebt haben müssen. Wir waren hin und her gerissen, hatten wir doch Pat vertraut und mit ihm Spaß gehabt. Was sollten wir tun? Um einer möglichen, gewalttätigen Situation auszuweichen, entschlossen wir uns ihn zu verlassen. Wir wollten jedoch ehrlich zu ihm sein und schrieben ihm eine email in der wir versuchten unsere verzweifelte Situation zu erklären. Unglücklicherweise war er alles andere als einsichtig. Er schrieb, wir hätten kein Recht über ihn zu richten und das wir voller Vorurteile wären. Wenig später erreichte uns dann eine email von einer seiner Bekannten. Die email war voller Beleidigungen und Drohungen. Wir wurden als Abschaum der Menschheit bezeichnet und die Person wollte auch der Einwanderungsbehörde über uns berichten. Die Frage ist bloß was. Na, ja spätestens ab da waren wir froh diesen Ort verlassen zu haben. Jetzt sind wir wieder in Saskatchewan bei Freunden und haben unsere Rückreise geplant. Ja, am Ende Mai werden wir wieder zurück fliegen. Aber vorher geht’s noch zur Ostküste von Kanada.