Donnerstag, 27. Oktober 2011

Smoky Hill Husky Kennel

Nachdem wir nun The Pas und Shell Lake hinter uns gelassen haben, sind wir jetzt in einem kleinen Ort namens Pierceland angekommen. Das Dorf liegt an der Grenze zu Alberta und beherbergt ca. 500 Menschen. Wir wohnen jedoch etwas außerhalb auf einer ehemaligen Farm bei Gerry und Brenda. Diese sind ehemalige Rancher und haben sich hier zur Ruhe gesetzt. Gleich zum Anfang wurde uns ausführlich erklärt worin der Unterschied zwischen einem Farmer und einem Rancher besteht, da Gerry auf gar keinen Fall als Farmer bezeichnet werden will. Wie wir jetzt wissen lebt ein Farmer von dem was er anbaut und er hat vielleicht auch noch ein paar Milchkühe. Weiterhin hat diese Spezies einen Hang alles zu zählen was auf seinem Land wächst und gedeiht und der Farmer liebt es auch Sachen einzuzäunen. Ein Rancher hingegen liebt seine Rinder und Pferde, die er die meiste Zeit des Jahres einfach frei rumlaufen lässt. Da sich die Tiere dann vermehren, weiß ein Rancher natürlich nie so genau wie viel Tiere er eigentlich hat. Aber das ist ihm auch egal solange ihm sein Nachbar keine klaut. Und da Gerry ein Rancher ist, sieht er auch so aus. Wenn er ausgeht hat er immer seine Cowboy Sachen an. Das sah im ersten Augenblick für uns ziemlich lustig aus – ist aber hier vollkommen normal. Viele von diesen Cowboys gehen zum Rodeo und versuchen auf wilden Pferden oder sogar Bullen zu reiten. So auch Gerry in seinen jüngeren Jahren. Seine Trophäen von damals hängen jetzt vor unserem kleinen Zimmer. Doch jetzt haben Gerry und Brenda seit ca. 8 Jahren ein neues Hobby: Schlittenhunde. Und wie aufmerksame Leserinnen sicherlich erahnen können, hat dies uns hierher gebracht. Wir haben Gerry auf einem Hundeschlitten Seminar in Prince Albert kennen gelernt. Und da er dringend nach einem doghandler (Hundebetreuer) gesucht hatte, haben wir uns entschlossen ihn und seine Frau Brenda zu besuchen. Nachdem wir jetzt drei Wochen hier sind, werden wir auch den Winter hier verbringen und hoffentlich ganz viele neue Sachen über Schlittenhunde lernen. Leider bedeutet dies, dass wir jeden Morgen um halb sieben aufstehen müssen. Sogar am Sonntag. Dies ist deshalb notwendig, da es morgens noch nicht so warm ist. Denn um die Hundies zu trainieren, sollte es nicht wärmer als 10°C sein. Ja, unsere Temperatur-Vorstellungen haben sich grundlegend geändert. Wenn wir morgens aufstehen, freuen wir uns alle wenn es draußen friert. Das war in den letzten Tagen auch so (ca. -3°C) und wir konnten mit den Hunden, die an einem ATV (all terrain vehicle) festgemacht wurden durch die Gegend fahren.

Malta an der Tieout-Line bekommt gerade ihr Geschirr angezogen

16 Hunde vor dem Quad
Doch bevor die Hunde losrennen, gibt es noch viele andere Dinge zu tun. Da die Hunde vor dem Training sehr aufgeregt sind und herumspringen, muss unbedingt die Hundescheiße entfernt werden. Sonst hat mensch schnell den ganzen Dreck an seiner Jacke oder noch schlimmer im Gesicht (Tja alles schon passiert). Dann werden die Hunde an eine tye out chain angeleint und bekommen ein harness (Geschirr) verpasst. Das ganze geschieht unter einem lauten bellen und jaulen der Hunde, die unbedingt loswollen. Wenn die Hunde dann endlich vor dem dem ATV angeleint sind, kann es losgehen. Dabei ziehen die Hunde so kräftig, dass sie auch schon mal den ATV (250kg + Ladung) mit angezogenen Bremsen im ersten Gang wegziehen. Dann müssen wir immer hinterher rennen und versuchen die Biester zum stehen zu bringen. Auch üben wir mit den Hunden links und rechts. Wenn wir z.B. gee (rechts) oder haa (links) rufen, sollen sie in die entsprechende Richtung laufen (alle 16 Hunde). Zum Glück beherrschen sie das recht gut. Viel schwieriger ist das Überholen eines anderen Teams. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich die beiden Teams ineinander verknoten und es ein riesiges Durcheinander gibt. Dies führt dann meistens dazu, dass sowohl Hund und Mensch aufgeregt hin und her springen. Nach dem Training gibt es für die 47 Hundies dann noch Freilauf auf einer riesigen Wiese und wir können mit ihnen spielen. Insgesamt sind wir sehr froh, dass es auch andere Musher wie Gerry gibt, die ihre Hunde gut behandeln und nicht schlagen oder sie im Dreck verkommen lassen. Inzwischen haben wir aber auch heraus bekommen, dass die Society for the prevention of cruelty to animals in einem solchen Fall weiterhelfen kann.
Doch diese Hunde hier in Pierceland werden eine solche Organisation sicher nie brauchen; die haben´s einfach zu gut.


Hunde im Freilauf; im Hintergrund wird Sid von einem Quad auf dem Schlitten herumgezogen.




Samstag, 15. Oktober 2011

Vom Umgang mit Bären und dem Reisen auf dem miesesten Highway in Saskatchewan

An unserem letzten Abend in the Pas (Manitoba) lernten wir nach einem Monat zufällig endlich unsere Nachbarn kennen, während wir schon gerade dabei waren um unsere Sieben Sachen einzupacken und unser Glück in Sasketchuwan zu versuchen. Wir wollten gerade unseren Van bepacken, als ein Haus auf einem Riesenlaster herangefahren kam und uns fast rammte.

 Diese überdimensionalen Wohnwagen - hier als „trailer“ bekannt - ist ein beliebtes Domizil für alle die, die sich kein richtiges Haus leisten können. Nachdem wir nun fast einen ganzen Monat im nördlichen Manitoba aufgehalten hatten, fühlten wir uns schon fast ein wenig vereinsamt, weil es nicht so einfach war Menschen kennenzulernen, wie in anderen Teilen Kanadas. Nun waren wir nur wenige Stunden vor unserer Abreise aus diesem Nest mit Namen The Pas in den nagelneuen trailer unserer Nachbarn eingeladen worden und mussten die Einladung leider ausschlagen. Um keinen Preis der Welt wollten wir länger als notwendig hier bleiben, sehnten uns schon danach auf dem Highway in Richtung Sasketschuwan unterwegs zu sein. Als dann am folgenden Morgen unser musher von seinen ausgedehnten Reisen zurückkehrte, für den wir einen Monat lang ein Kennel von 78 Schlittenhunden gepflegt hatten, verabschiedeten wir uns so schnell als möglich und machten uns auf den Weg. Unser Ziel: Ein Schlittenhundseminar in Sasketchuwan.
Endlich wieder on the road! Wunderbar! Wir hatten Proviant, Eiskaffee von Tim Horten und waren guter Dinge. Unsere Reisegeschwindigkeit war mit 100 Stundekilometer (was gerade noch innerhalb des speed-limits liegt) angenehm schnell. Die  anscheinend neu geteerte Straße ließ uns nur so dahinfliegen. Und als Beifahrer war der  Anblick auf die vogelreichen Sumpfgebiete viel besser zu genießen, als wenn Mensch gerade mit seinen Gummistiefeln darin am versinken ist.

Also alle tutti. Bis dann das Schild kam: Auf Wiedersehen Manitoba und willkommen in Sasketchuwan. Fast zeitgleich war auch noch ein anderes Schild auszumachen und dies bedeutet: Pavement ends (Straßenbelag endet). Hä? Wir waren doch auf dem Highway und unser Routenplaner zeigte auch noch eine zu überwindende Distanz von 200 km auf diesem Highway an. Nach kurzem war der Highway eher eine Art recht matschiger Waldweg. Also nix mehr mit 100 Fahren. Wir krochen so dahin. Und während wir uns durch die Schlammlöcher wälzten und unser Auto langsam wie ein Chamäleon seine Farbe von Rot zu braun wechselte, kürten wir diesen Highway zu dem schlechtesten Highway in Sasketchuwan.

Viele Stunden hinkten wir unserem Zeitplan nun schon hinterher. Unsere Laune war im Keller. Unser Auto inzwischen ungleichmäßig braun. Auch die meisten Scheiben. Um uns herum nur Sumpf und First Nation Reservate. Als dann nach einer gefühlten Ewigkeit wieder die ersten Farmen in Sicht kamen und damit auch die geteerten Straßen zurück kamen, waren wir heilfroh.
Erst als die Sonne schon über dem Jordan war kamen wir endlich auf der Rinderfarm an, auf die wir von der überaus freundlichen Linda Casewell eingeladen worden waren, die auch Im Komitee ist, welche unser Schlittenhundseminar organisierte. Linda und ihren Mann Dave haben wir inzwischen sehr ins Herz geschlossen. Wir verbrachten etwa 2 Wochen bei Ihnen und sie behandelten uns fast wie ihre eignen Kinder. Wenn wir eine Familie in Kanada haben, dann sind es diese Leute. Sie wohnen in einem wunderschönen Loghouse mit Blick auf einen See. Vor dem Haus leben zwei Lamas und ein Pferd zusammen auf der Weide. Überall drumherum Rinder auf mir unendlich erscheinenden Hügel und in seenreichen Waldlandschaften. Und hinter dem Haus ein kleines Kennel mit etwa 10 Hunden.


2 Bullen auf der Casewell-Ranch haben Streit


2 von Linda´s Alaskan Huskys

Dies ist ein Inuit Sleddog


Die Casewells nahmen uns nicht nur mit zu dem Schlittenhundseminar und brachten uns dort mit allen möglichen Leuten ins Gespräch, sie stellten uns auch allen möglichen Anverwandten vor, nahmen uns mit auf ausgedehnte Touren auf ihrem Land, stellten uns Kanus und Quads zur Verfügung mit denen wir dann nach Lust und Laune umhertouren konnten und verbrachten unzählige Abende mit uns Kakao trinkend in angeregten Gesprächen an ihrem Küchentisch. Alles in allem hatten wir eine gute Zeit in Shell Lake auf der Rinderfarm. Das einzige Ereignis was ehrlich furchtbar war ereignete sich am ersten Abend, als vermutlich ein von Linda`s Hunden eingekreister Bär durchdrehte. Ihre Hunde sind so gut trainiert, dass sie sie jeden Abend freilaufen lassen kann. Dann schnappt sie sich in den wärmeren Monaten einen Quad und braust über die Felder und durch die Wälder. Und die Hunde rennen hinterher und um sie herum oder versuchen auf dem Quad mitzufahren. An diesem ersten Abend unseres Besuchs kamen wir nur langsam voran, weil Linda sich vorgenommen hatte mich und meine Reisebegleitung ins quadfahren einzuführen. Darum kamen die Hunde um einiges früher als wir zuhause an. Als wir endlich auch ankamen, sah ich einen verletzten Hund. Sehr schnell fanden wir auch andere verletzte Hunde im Kennel. Und wussten nicht, was passiert war. Zwar hatte keiner von uns den Bären gesehen, doch nach den Verletzungen der Hunde zu urteilen, und auch weil schon seit Tagen ein Bär ums Haus herumschlich, wurde angenommen, dass dieser involviert gewesen sein musste. Einer der Hunde hat diese Begegnung leider nicht überlebt. Wir fuhren noch am selben Abend zum Tierarzt, der den Hund aber nicht retten konnte. Ich hatte nächtelang  Albträume von Zombiebären mit glühenden Augen und besorgte mir später eine Anleitung über „Was tun, wenn ein Schwarzbär auftaucht“. Diese Broschüre wird auch vom Prince Albert National Park herausgegeben. Drin steht, dass man beim Campen alles, was einen Bären interessieren könnte nicht um das Zelt herumliegen lassen sollen. Auch Dinge, die er nicht essen kann mögen sein Interesse wecken, weswegen die ins Auto gehören. Ganz besonders gilt dies natürlich für Lebensmittel. Und wer etwa beschließt sein Abendessen im Zelt aufzubewahren, der verteilt quasi Einladung an geneigte Schwarzbären doch vorbeizuschauen. Natürlich ist es auch möglich einen Bären irgendwo auf einer Wanderung zu treffen. Sollte der Bär nicht verletzt sein oder Junge haben, wird er sich zumeist nicht direkt bedroht fühlen und sich bald aus dem Staub machen. Empfehlenswert sind „Bärenschellen“ und „Bearspray“ (eine Art Pfefferspray). Mit ersterem ist der Bär vorgewarnt und kann sich davonmachen, das zweite ist eher für den Notfall. Denn wenn so ein Schwarzbär verärgert ist, kann er sehr böse werden. Und dann heißt es: Fight like hell (oder kämpfe mit allen Mitteln). Im Gegensatz zu dem eigentlich aggressiveren Grizzley wird der Braunbär  nämlich nicht so schnell von seinem Kontrahenten ablassen. Es macht also keinen Sinn sich wie beim Grizzley tot zu stellen und abzuwarten, bis der Bär sich verzogen hat. Stattdessen sollte Mensch bei einem Schwarzbärangriff eher nach großen Ästen greifen und seine Jacke laut grollend überm Kopf schwingen; da schaut man dann gleich viel größer und gefährlicher aus.  Auf jeden Fall sind jegliche Touristen, die beim Anblick eines Bären aus ihren Autos springen, um ihn aus der Hand zu füttern für mich wirklich wahnsinnig. Denn irgendwann sind die Erdnüsse oder was auch immer aufgefressen und dann bekommt der Bär schon mal schlechte Laune und überlegt sich vielleicht wie wohl der Tourist an sich schmecken wird.
Aber es muss ja gar nicht so weit kommen. In meiner Broschüre steht, dass der Bär sich zumeist trollt. Möglicherweise wird er sich zuvor auf die Hinterbeine stellen und schnuppern um heraus zu bekommen, was er vor sich hat. Dann ist es gesund, beruhigend auf ihn einzureden und keine Panik zu zeigen. Nach einer Weile wäre es angemessen, sich langsam zu entfernen. Nicht Rennen! Der Bär wird immer schneller sein. Wer meint, kann auch gerne einen Baum erklimmen. Dies hat aber nur dann Aussicht, wenn der Baum nicht so groß ist, dass auch der Bär ihn erklimmen kann. Ansonsten ist der Bäumekletterer bald zu zweit auf dem Baum. 
Inzwischen habe auch ich meinen ersten freilebenden Bären gesehen. Er hat von weitem geschaut und ist dann im Wald verschwunden. Einige Stunden später kamen einige Jagdversessene, die den Bär erschossen. Obwohl ich ehrlichen Respekt vor diesen Wesen habe, tat es mir doch leid um diesen Bären. Es wäre mir lieber gewesen ihn in Zukunft von weitem zu grüßen, als ihn tot zu sehen. Aber so ist das hier nun mal. Kanada ist nicht nur das Land der exzessiven Kaffetrinker, das Land des Schlittenhundsports und der wunderbarsten Natur, es ist auch das Land der Jäger. Etwas mit dem ich mich nur ungern abfinde.
Jäger Trophäe: Moosekopf in einem kleinen Cafe nahe dem Prince Albert National Park