Samstag, 10. Dezember 2011

Doghandler wanted in sasketschuwan, Canada

Dies wird demnächst wieder auf sleddogcentral zu lesen, da wir unseren job hier an den Nagel hängen und weiter ziehen. Für alle, die also noch ein Winterabenteuer als doghandler suchen, bei dem sie nicht nur Hunde pflegen, sondern auch auf Schlitten mit ihnen durch die Gegend düsen und -- wenn gewollt - sogar an Rennen teilnehmen, ist dieses Kennel sicher interessant. Unser musher Gerry, der schon etliche Rennen gewonnen hat, darunter den Canadien Challenge, den Torch river Run und den, ist sicher eine der besten Adressen, wenn jemand etwas über middistance races lernen möchte.
Gegenüber dem Gästeklo hängt alles voll mit Trophäen gewonnener Rennen.
Wer aber so ein Leben anstrebt, sollte sich der guten Seiten, aber auch der Schattenseiten dessen bewusst werden. Für mich gehörte hier zu den Schattenseiten die Einsamkeit. Aber wer ohnehin gern alleine ist, für den mag das sicher weniger wichtig sein. Natürlich trifft Mensch auch gelegentlich auf andere Exemplare seiner Art, aber wirklich nur gelegentlich. 
Dieses wie auch die folgenden Bilder wurden von einer "gamecamera" in Pirceland aufgenommen. Die hängt irgendwo im Wald an einem Baum und wenn sich etwas regt, dann macht sie ein Bild.





Viel mehr anzutreffen sind alle möglichen Wildtiere: Moose, Whitetaildeer gleich herdenweise, Kojoten, manchmal Wölfe oder Schneehasen (selten zusammen), Seeadler, Bären,  jede Menge Vogelvieh und dann natürlich die 47 Hunde, allesamt alaskan Huskys.
Wasser gibt es im Morgengrauen, wenn die Augen der Hunde im Licht meiner headlamp schaurig leuchten.
Die täglichen Aufgaben wie füttern, wässern oder Scheiße schaufeln sind in jedem Falle mit guter körperlicher Verfassung leichter zu bewältigen.  Obgleich man auch dann gelegentlich spürt, dass der Rücken vorhanden ist und nicht damit einverstanden zu sein scheint, so oft gebeugt zu werden. Denn 47 Hunde, die 2 mal am Tag gewässert werden, dass bedeutet dann schon 188 mal bücken. Einmal für das Wasser hinstellen, und einmal für das Wasser wegnehmen, bevor es in den Näpfen gefriert. Auch  können die Hunde hier alle zusammen am Tag circa zwischen 94 und 141 Haufen produzieren, die mit dem Eispickel vom Boden gepickelt werden müssen, um dann anschließend mit der Schaufel in Eimer befördert zu werden. Danach kommt dann alles auf einen enormen Hundescheißhaufen und wird kompostiert. Und am nächsten Tag alles wieder von vorne. Wer sich nach einer Weile dann wie Sysiphus vorkommt, hat nicht ganz unrecht. Aber diese Arbeiten gehören einfach dazu.
Dieser tote Hirsch hier wird Hundefutter.
Ebenso gehört das Zubereiten von Hundefutter zum täglichen Geschäft. Es gibt zumeist eine Fleischbrühe mit allenmöglichen Zusätzen wie Öl und Vitaminen und natürlich Kibble (Trockenfutter). Damit einem das Frischfleisch nicht ausgeht, wird gelegentlich herumtelefoniert, ob nicht einer der Nachbarn eine alte Kuh oder ein altes Pferd zu verschenken hat, dass dann hier geschlachtet und sofort zu Hackfleisch verarbeitet wird. Gestern hat jemand angerufen, der zwei alte Pferde loswerden will. Ich bin heilfroh nicht mehr hier zu sein, wenn das Schlachten losgeht. Aber so st es eben. Die Hunde brauchen Fleisch. Vor zwei Wochen bekamen wir von einem Jäger 4 tote Whitetaildeers geschenkt, die unsere Hunde seitdem Stück für Stück zum Abendessen verspeisen. Als wir diese in kleine Stücke verschnetzelt haben, kam ich mir schon ein weniger vor, wie in einem Chainsaw-massacre-Horror-Film.
Die Belohnung für all die Hundepflege ist dann letztlich das Training. Am Anfang fuhren wir zusammen mit dem musher auf einem Tandemschlitten, wenige Tage später schon allein mit einem 6 dog Team (s.vorige Artikel). Manchmal konnte ich das genießen, aber alles in allem habe ich gemerkt, dass ich doch nicht der Typ bin, der das hier auf Dauer machen kann. Unser musher, der etwa 10 Jahre erfahrener ist als ich was Schlittenhunde angeht, liebt das Leben gelegentlich wild und gefährlich. Ich liebe das Leben; einfach nur so. Drum empfindet er waghalsige trails mit engen Kurven und steilen Abhängen als spaßig, während ich jedes Mal hinterher gar nicht recht glauben konnte, wie ich da heil wieder rausgekommen bin. Früher habe ich so etwas genossen; ebenso wie unser musher hier, der früher ein Bullriding Champion war. Obwohl er das Bullriding aufgab, hat er immer noch einen Hang zu sehr aufregenden sportlichen Betätigungen. Was ich auch von mir dachte. So kann man sich irren.
Sicher hätte ich das Hundeschlittenfahren auf schwierigen Trails mit der Zeit lernen können. Und der musher ist auch echt ein Mensch, mit dem man reden kann, der eventuell ein Kompromiss gefunden hätte…aber da es noch viele andere Dinge hier gibt, die mir wenig behagen und ich nicht von mir behaupten kann in der Zeit hier absolut crazy about sleddogs geworden sein, ist es Zeit für mich und meine geschätzte Reisebegleitung weiter zu ziehen.
Abgesehen von dem job als handler, sind auch die Leute, die einem über den Weg laufen,  sehr fixiert auf eine Lebensrealität, die sich im hohen Maße ums Jagen dreht. Ein Thema, bei dem ich null mitreden kann, und was mich auch nicht als solches interessiert. Aber ich habe hier gelernt, diese ganze Jägerkultur zu respektieren; anders geht es hier einfach nicht. Im Umkehrschluss anzunehmen, dass die Bevölkerung hier  irgendein Verständnis für Vegetarier hat ist schlichtweg falsch, weswegen ich diesen Teil meines Lebens nicht unbedingt mehr gegenüber Leuten erwähne.

Dieser lustig gemeinte Aufkleber klebt an unserem Quad.
Womit man sich als handler auch zumeist abfinden muss ist, dass man quasi sehr eng mit den Leuten zusammen wohnt. Das hat der Vorteil, dass sie einen wundervoll bekochen, einem faszinierende Geschichten erzählen und überallhin einladen. Doch möchte man dann mal Zeit nur für sich ist das eher schwierig. Dies kann natürlich auch an der hier vorgelebten Arbeitsmoral liegen. Es ist schon möglich frei zu bekommen, aber eher auf Nachfrage, nicht als regelmäßige Vereinbarung. Dies könnte der oder die nächsten handler auch anders verabreden, denke ich. Wir waren nicht richtig gut darin um einen freien Tag zu bitten, weswegen wir unseren ersten freien Tag auch erst nach ein anderthalb Monaten hatten. Vorher war absolut jeder Tag ein Arbeitstag.
Hier waren die Biber am Werk.
An  meinem freien Tag dann fuhren wir nach Cold Lake. Hin,- und hergerissen einen Nebenjob anzunehmen, oder alles hinzuschmeißen. Wir wanderten durch die nähere Umgebung, passierten Biberhäuser und waren ständig umgeben von einem ohrenbetäubenden Lärm.
Das waren die Kampflieger der nahegelegenen Militärbasis. Wir gingen spazieren und dann in alle möglichen Fast-Food- Restaurants, in denen wir unsere Lage ausgiebig diskutierten. Nach den ganzen Wochen hier hatten wir immer noch keine Leute kennengelernt, weswegen wir also niemanden besuchen konnten. Ich hatte mir sogar überlegt, andere Musiker zu finden, zwecks gemeinsamen Musizierens und dem Knüpfen sozialer Kontakte. Ich fand heraus, dass es zumindest zwei Chöre gab…einen kirchlichen und den anderen von der Militärbasis. Da ich aber nicht besonders christlich bin und mir auch nicht vorstellen kann Loblieder auf das Militär zu singen, nicht mal auf das kanadische, fiel dieser Plan also auch flach. Ich glaube, wenn ich zu der einen oder anderen Chorprobe gegangen wäre, hätte ich demnächst das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein…das Gefühl quasi von den Borg assimiliert worden zu sein. Wir sind die Borg. Sie werden assimiliert werden. Wiederstand ist zwecklos. No Exit, wie auf einem Straßenschild  unweit unseres jetzigen Heims steht.
Nein, fair ist dieser Vergleich mit unfreundlichen Außerirdischen nicht. Es gibt hier sicher viele faszinierende Menschen. Zu viele davon habe ich noch nicht gesehen. Aber ein paar schon. Am Tage, als wir beschlossen weiterzuziehen, bekamen wir eine Einladung zu einen Wohnzimmerkonzert im örtlichen Bed and Breakfast. Ein wirklich sympathischer (und anscheinend recht bekannter) Musiker  von Kanadas sunshine coast  spielte Gitarre und sang songs. Überall standen jede Menge Kuchen und andere Desserts herum, außerdem Wein und Himbeersaftpunsch (köstlich!).  Da wir uns ja in einem Wohnzimmer befanden, hatten alle - auch der Musiker - ihre Schuhe ausgezogen und liefern in Socken herum. In den Pausen sprachen wir mit etlichen uns vorher gänzlich unbekannten Menschen aus der Gegend, die uns gern zu sich eingeladen hätte, was aber keinen Sinn mehr machte, da wir ihnen sagten, dass wir weiterziehen würden. Daraufhin schrieben einige uns ausufernde Zettel mit Orten, die wir unbedingt auf unserer Reise besuchen sollten. Es war ein bezaubernder Abend. Im Übrigen findet ein solcher Abend an jedem ersten Freitag im Monat statt. Wir hatten das Glück von der freundlichen Besitzerin des Etablissements eingeladen zu werden; ansonsten kostet der Abend etwa 20 Dollar. Getränke, Desserts und anregende Gespräche inbegriffen.
Maguire's Bridge Bed & Breakfast
Nun ist unser letzter Tag in Pierceland angebrochen. Wir verlassen den Ort morgen sich mit einem lachendem,- und einem weinendem Auge. Aber unsere Entscheidung steht fest.
Die Frau des mushers besteht darauf noch unsere Klamotten zu waschen, wir bekamen eine Straßenkarte (auf der die besten Routen und die schönsten Orte von Gerry mit einem gelben Marker gekennzeichnet wurden), eine Tim Hortens Geschenkkarte und etwas Taschengeld geschenkt, und dann sagen sie noch: Sagt Bescheid, wenn ihr gute angekommen seid. Ein sehr familiärer Abschied. Wer weiß, vielleicht werden wir uns einmal wiedersehen.