Montag, 8. August 2011

Von Ontario nach Manitoba

Am Abend vor unserer Abreise alles ein wenig stressig…da wir zu unseren Geburtstagen keinen Kuchen hatten, gab es den nun an unserem letzten Abend.
In dieser Tort befinden sich ausschließlich rohe Zutaten. Die Rohkosternährung ist hier sehr beliebt. Auch einer unserer Mitbewohner ernährt sich roh...nur mit Kaffee macht er eine Ausnahme.
Alle sangen noch einmal „Happy Birthday“ und ich hatte das Gefühl dieses Jahr mindestens drei Geburtstage verlebt zu haben. Am Abend zuvor hatten unsere MitbewohnerInnen uns in ein schickes vegetarisches Restaurant eingeladen, den „Vegetarien Heaven“….und dort natürlich auch „Happy Birthday“ gesungen. Genau wie an dem Tag, an dem wir offiziell Geburtstag hatten. Sie lieben Geburtstage, diese Kanadier.


Für unseren allerletzten Abend hatten wir geplant, ein Bier trinken zu gehen. Doch dann war noch so viel zu tun, meine Reisebegleitung war an seinen Laptop gefesselt und dann konnten wir den Haustürschlüssel nicht finden. Plötzlich war es schon 2 Uhr und wir waren irgendwie fertig mit der Welt. Nur noch im Bett liegen, Tee trinken und nicht daran denken, dass die Zeit zum schlafen verrinnt. Denn unsere Mitfahrgelegenheit wollte uns um 9 Uhr am nächsten Morgen abholen. Letztlich bekamen wir noch 3 Stunden Schlaf. Dann saßen wir zusammen mit einer Tasse Kaffee und Riesenaugenringen auf unserer Veranda. Nach 2 Stunden fühlten wir uns etwas wacher. Nach 3 Stunden kam die Sonne heraus und unserer Mitbewohner begannen sich zu wundern, warum wir noch da waren. Nach 4 Stunden hegten wir echte Zweifel daran, dass wir Toronto an diesem Tag noch verlassen würden. Nach 5 Stunden machten wir Pläne für den nächsten Tag in Toronto und ich legte mich wieder ins Bett. Nach 5 ein halb Stunden kam ein Anruf unserer Mitfahrgelegenheit: „ Ich bin gleich da. Seid ihr fertig?“  „Ja, klar„ sagte ich, und war nicht ganz sicher, wie viel eine halbe Stunde Zeitrechnung der Zeit unseres Fahrers in der Realität sein mochte. Doch plötzlich war er da. Zwar hatte er etwa 6 Stunden Verspätung, aber er war da. Wir versuchten all unser Zeug in den Kombi zu quetschen. Es ging nicht. Überhaupt nicht. Alle schauten sich hilflos an. Und dann ging das aussortieren los. Was zurück blieb waren der Proviant, unsere Straßenkarten, Bücher, Küchengeräte und sicher noch einiges anderes, das wir bis jetzt nicht vermissen.
Und dann ging es los. Die Hunde lagen im Kofferraum. Mehr oder weniger übereinander. Meine Reisebegleitung war auf dem Rücksitz zusammengequetscht zwischen Koffern und Taschen. Ich war auf dem Beifahrersitz. Die letzten Lebensmittel und das Wasser auf meinen Füßen, den Laptop auf meinem Schoß. Der Tag neigte sich. Ich rechnete damit, dass wir nicht sehr weit kommen und würden und bald auf einem Campingplatz einkehren würden. Das hatten wir jedenfalls mit unserem Fahrer abgemacht und vorsorglich auch ein Zelt besorgt.
Wir fuhren genau zur „Rush-hour“ los. Nach dem wir es durch den Stau in Toronto geschafft hatten, kamen wir auf die Autobahn, die prompt gesperrt wurde. Die Umleitung war von Autos verstopft. Zu Fuß war man schneller als im Auto. Überall herum Sümpfe und First Nation (Uhreinwohner) die am Straßenrand ihren selbstangebauten Tabak (smokes) feilboten. Irgendwann war der Stau vorbei. Und es wurde dunkel. Unser Fahrer meinte, er sei gar nicht müde, da er tagsüber geschlafen habe. Ich schenkte ihm ein säuerliches Lächeln. Also fuhren wir immer weiter. Immer wenn ein „Tim Hortens“ (aus einem für mich nicht verständlichem Grund eine der beliebtesten Caffe-Ketten in Kanada) in Sicht kam, ging es sofort zum Drive-In-Schalter wo YAMA unser Fahrer ein „erverything Bagel und einen large Triple Triple Coffee with french Vanilla“ orderte. Ich wollte nicht einschlafen, damit ich Yama wach halten konnte und bekam entsprechend ebenfalls bei jedem Tim Hortons einen Kaffe verordnet. Mein Kaffee war ein „Iced Cub“ und unbeschreiblich süß. Aber er hielt mich wach. Als ich Jama einmal fragte, was den dieses Tripple-Dings in seinem Getränk sei, sagte er es bedeutet: Dreimal Milch, dreimal Zucker. Und mit einem Schmunzeln fügte er hinzu, er mag es „sweet“. Möchte gerne wissen, wie es in diesem Lande mit Diabeteskranken ausschaut…
Die wundervollsten Landschaften flogen an uns vorbei und wir waren in diesem winzigen Auto gefangen und konnten sie nur staunend durchs Fenster beobachten. Mitten in der Nacht ganz weit weg ein Gewitter. Wir konnten den Donner nicht hören, aber trotzdem die Blitze sehen. Wunderschön. Am nächsten Morgen nach einer durchwachten Nacht der Lake Superior. Die Nebel, die über den unendlich erscheinenden See gleiten. Märchenhaft. Leider wurde es langsam schwierig die Schönheiten der Landschaft zu genießen, da die Müdigkeit beständig zunahm.


Kleine Pause irgendwo im Nirgendwo zwischen Ontario und Manitoba

Immer wenn Yama sehr müde wurde und weit und breit kein Tim Horton in Sicht, fuhr er an den Straßenrand, holte sein Kopfkissen raus und schlief für kurze Zeit. Manchmal 20 Minuten, manchmal 2 Stunden. Dann ging es weiter. In der Zwischenzeit unterhielten wir uns und es stellte sich heraus, dass er doch ein ganz netter Typ ist, auch wenn er nicht unbedingt ganz pünktlich zu Verabredungen erscheint. Leider konnte ich in den kurzen Ruhepausen nicht einschlafen, weswegen irgendwann auch Tim Hortens Kaffe nichts mehr ausrichten konnte. Immer wieder fiel mein Kopf auf mein Kinn. Sekundenschlaf. Scheußlich. Yama gab mir Anleitung, wie ich aus allen Taschen ein Art Kopfkissen basteln konnte und meine Reisebegleitung war dran mit Fahrerbespaßung.
Endlich ein wenig Schlaf. Und dann alles wieder von vorn. Und wir hatten Ontario immer noch nicht verlassen. Und es wurde wieder dunkel. Ich bekam das Gefühl, dass diese Reise nie enden würde, als endlich das Schild in Sicht kam. Darauf stand: Welcome to Manitoba! Es waren 30 Stunden vergangen. „In drei Stunden sollten wir da sein…in diesem Sarto, wo ihr hinwollt“, sagte Yama. Es war ungefähr Mitternacht. Zum Glück hatten wir die Leute von der Farm vorgewarnt, dass wir mitten in der Nacht bei Ihnen eintreffen würden, da Yama weiter wollte. Seine Reise endete erst in Alberta, einer noch westlicher gelegenen Provinz.
Endlich erreichten wir die Kleinstadt Steinbach, die schon sehr nahe an unserem Bestimmungsort liegen sollte. Wir hatten das Gefühl gleich da zu sein. Es ging durch das schlafende Steinbach hindurch, eine Stadt, bei der sich ein Autohändler an den nächsten reiht. Hinaus Richtung Sarto. Die Querstraßen hatten hier keine Namen. Nur Nummern. Wir suchten und fanden die Nummer 25 Nord und bogen ein. Diese Straße ist eigentlich keine richtige Straße mehr. Es ist mehr so eine Art Schotterweg und die Stein spritzten nur so auseinander, als wir einbogen. Yama murrte ein bisschen und sagte, sein Auto wäre nicht für diese Straße gemacht, aber er fuhr weiter. Und diese „Straße“ war lang. Und dunkel. Und es ging immer weiter. Einmal kamen wir an eine Kreuzung. Da stand ein Schild, dass auf unseren Weg wies und auf dem Stand: „No thru Road“. Dann irgendwann kam das selbstgemalte bunte Hinweisschild zur Nortern Sun Farm in Sicht und bald darauf waren wir endlich da. Total überdreht purzelten wir alle aus dem Auto. Die Mücken fielen sofort über uns her, was Yama zu einem wilden Tanz veranlasste. Er hat eine totale Phobie vor Käfern und sonstigen Krabbelgetier. Mutig machte er die Scheinwerfer seines Wagen an und sagte: „And now I will help you Guys with your tent (Und nun wird ich Euch Leuten mit eurem Zelt helfen)“Zusammen bauten wir unser Zelt auf, dass irgendwie völlig anders aussah, als auf der hübschen Verpackung. Außerdem hatten wir 2 Stangen über und keinen blassen Schimmer, wo die hinsollten. Egal. Wir verabschiedeten uns von unserem verrückten Fahrer, den wir inzwischen wirklich ins Herz geschlossen hatten und kabbelten in unser windschiefes Zelt. Ich bin noch nie so schnell eingeschlafen, wie in dieser Nacht.


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